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Niederspannungsrichtlinie 2014/35/EU

Informationen rund um die europäische Niederspannungsrichtlinie RL 2014/35/EU
Niederspannungsrichtlinie

Was ist die Europäische Niederspannungsrichtlinie?

Die europäische Niederspannungsrichtlinie (im englischen „Low Voltage Directive“ (LVD) genannt) ist eine EU-Richtlinie (RL 2014/35/EU), in der essenzielle Sicherheitsanforderungen für elektrische Produkte definiert werden.

Vor allem für die Einführung elektrischer Produkte auf dem europäischen Markt ist die Niederspannungsrichtlinie (NSR oder auch NSpRL abgekürzt) relevant. Es muss sichergestellt werden, dass elektrische Produkte die erforderlichen Sicherheitsstandards erfüllen, um das Risiko von Stromschlägen oder anderen potenziell gefährlichen Situationen zu verringern oder im Idealfall nahezu auszuschließen. Seit 20. April 2016 hat die NSR 2014/35/EU die bis dahin geltende Richtlinie 2006/95/EG abgelöst und ist seither zwingend anzuwenden.

Wen betrifft die Niederspannungsrichtlinie?

Die Niederspannungsrichtlinie betrifft Hersteller, Importeure, Händler und Inverkehrbringer von elektrischen Betriebsmitteln. Sie legt nicht nur die Anforderungen an die Sicherheit dieser Betriebsmittel fest, sondern regelt auch deren Bereitstellung auf dem Markt.

In der „Ersten Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz (Verordnung über elektrische Betriebsmittel – 1. ProdSV)“ sind die in Deutschland geltenden Bestimmungen zur Beschaffenheit elektrischer Geräte beschrieben. Diese Verordnung macht aus der Niederspannungsrichtlinie ein deutsches Gesetz.

Funktion und Ziele der Niederspannungsrichtlinie

Die wichtigsten Ziele der Niederspannungsrichtlinie sind die Regelung des freien Warenverkehrs für elektrische Betriebsmittel europaweit und die Garantie eines hohen Schutzniveaus in Bezug auf Gesundheit und Sicherheit von Menschen, Tieren und Eigentum.

Schutzziele der Niederspannungsrichtlinie in Bezug auf die elektrische Sicherheit
sind in Anhang 1 der Niederspannungsrichtlinie definiert:

  • Sicherheitskennzeichnung auf dem Produkt oder Hinweise im Begleitdokument bzw. der Verpackung
  • Sichere und ordnungsgemäße Verbindungen und Anschlüsse
  • Keine Gefahr bei bestimmungsgemäßer Verwendung und angemessener Wartung
  • Keine Gefahr bei direkter oder indirekter Berührung
  • Keine gefährlichen Temperaturen, Lichtbogen oder Strahlungen
  • Schutz von Menschen und Tieren auch vor nicht elektrischen Gefahren
  • Eine der Beanspruchung angemessene Isolierung
  • Gefahrloses Standhalten bei der vorgesehenen mechanischen Beanspruchung
  • Keine Gefahr durch nicht mechanische Einwirkungen bei unterschiedlichen Umweltbedingungen
  • Keine Gefahr durch vorhersehbare Überbelastungen

Geltungsbereich der Niederspannungsrichtlinie

Die Niederspannungsrichtlinie gilt für elektrische Geräte mit Nennspannungen zwischen 50 und 1000 Volt bei Wechselstrom (AC) sowie 75 bis 1500 Volt bei Gleichstrom (DC).

Eine Sammlung vieler Ladekabel, die elektronische Geräte über USB-C aufladen können

Die Anforderungen der NSR beziehen sich auf den Aufbau und die Sicherheit elektrischer Produkte. Viele typische Haushaltsgeräte (z. B. Spülmaschine, Kühlschrank) und Kleingeräte (Föhn, Rasierer) fallen unter die NSR, aber auch Bestandteile elektronischer Geräte, wie Kabel und Leuchtmittel.

Der Geltungsbereich der Niederspannungsrichtlinie erstreckt sich somit auf eine breite Palette von Betriebsmitteln. Grundsätzlich zählen zu den elektrischen Betriebsmitteln gemäß dieser Richtlinie alle „Gegenstände und Einrichtungen zum Erzeugen, Fortleiten, Verteilen, Speichern, Umsetzen und Verbrauchen elektrischer Energie“, wie z. B.:

Für diese und weitere Gerätekategorien gilt die NSL
  • Generatoren
  • Motoren
  • Kabel
  • Steckdosen
  • Transformatoren
  • Akkumulatoren
  • Ladegeräte
  • Schalter
  • Haushaltsgeräte
  • Leuchten

Ausnahmen zur Niederspannungsrichtlinie

Moderne Industrie/Labor-Infrastruktur (Schematik).

Anhang 2 der Niederspannungsrichtlinie beschreibt die Betriebsmittel und Bereiche, die nicht als elektrische Betriebsmittel im Sinne der NSR zählen:

  • elektrische Betriebsmittel zur Verwendung in explosiver Atmosphäre
    (z. B. in der chemischen oder pharmazeutischen Industrie)
  • elektro-radiologische Betriebsmittel und elektro-medizinische Betriebsmittel
  • elektrische Teile von Personen- und Lastenaufzügen
  • Stromzähler
  • Haushalt-Steckvorrichtungen
  • Vorrichtungen zur Stromversorgung von elektrischen Weidezäunen
  • Funkentstörer
  • elektrische Betriebsmittel zur Verwendung in Flugzeugen, auf Schiffen oder in Eisenbahnen
  • elektrische Betriebsmittel, die zur Ausfuhr in Drittländer bestimmt sind
  • Erprobungsmodule, die speziell für Kunden und Anwendungszwecke entwickelt wurden
    und von Fachleuten nur in Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen für diese Zwecke eingesetzt werden.

Risikoanalyse und Risikobewertung

Während die Maschinenrichtlinie eine Risikobeurteilung verlangt, erfordert die NSR seit 2016 eine Risikoanalyse und Risikobewertung.

Hierbei müssen Hersteller elektrischer Betriebsmittel technische Unterlagen bereitstellen, die mindestens die folgenden Informationen beinhalten:

  • allgemeine Beschreibung des elektrischen Betriebsmittels
  • Entwürfe, Fertigungszeichnungen und Fertigungspläne von Bauteilen, Schaltkreisen usw.
  • Beschreibungen zu den Zeichnungen und Plänen zur Erläuterung der Funktionsweise des elektrischen Betriebsmittels
  • Aufstellung der vollständigen oder in Teilen angewandten harmonisierten, nationalen oder internationalen Normen; auch Abweichungen müssen dokumentiert und erklärt werden
  • Ergebnisse der Prüfungen und Prüfberichte.

Die von Betriebsmitteln ausgehenden Gefahren und Risiken müssen identifiziert, sichere Einsatzbedingungen festgelegt und geeignete Schutzmaßnahmen gefunden werden. Mit der Risikoanalyse und -bewertung können Hersteller eine rechtssichere Konformitätserklärung abgeben.

Ein Leitfaden für die Risikobewertung wird auf der Website des Europäischen Komitees für elektrotechnische Normung zur Verfügung gestellt:

Von europäischen Normungsinstituten wie CENELEC und ETSI wurden harmonisierte Normen erarbeitet, die auf einem Mandat der Europäischen Kommission basieren. Mittels dieser harmonisierten Normen werden technische Details und Anforderungen so konkretisiert, dass eine Einheitlichkeit beim Inverkehrbringen von Produkten innerhalb des europäischen Marktes erreicht wird.

Die Risikobeurteilung ist ein zentraler Bestandteil des CE-Prozesses und dient dazu, sämtliche Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen an das Produkt zu ermitteln und umzusetzen.

CE-Kennzeichnung nach Niederspannungsrichtlinie

Transparenter Wasserkocher mit CE-Zeichen. Ein Leuchtmittel am stromführenden Fuß des Gerätes signalisiert, dass das Gerät sich gerade im Betrieb befindet.

Hersteller, die ihre Produkte auf den europäischen Markt bringen möchten, müssen sicherstellen, dass diese den Anforderungen der Niederspannungsrichtlinie entsprechen und auch über die CE-Kennzeichnung verfügen. Mit dieser Kennzeichnung weisen Produkthersteller/-vertreiber nach, dass ihr Produkt den geltenden Sicherheitsstandards entspricht und in der Europäischen Union frei gehandelt werden darf.

Im Rahmen der CE-Kennzeichnung sind die Konformitätsvermutung und Konformitätserklärung wichtige Aspekte der NSpRL.

Da die Anwendung harmonisierter Normen freiwillig ist, wird bei Produkten, die unter diese Norm fallen, zunächst einmal vermutet, dass sie den Sicherheitszielen der Niederspannungsrichtlinie entsprechen. Hierbei spricht man von der Konformitätsvermutung.

Konformitätserklärung

Die Konformitätserklärung hingegen ist ein verpflichtendes Dokument, das vom Hersteller oder einem bevollmächtigten Vertreter unterzeichnet und 10 Jahre ab dem Inverkehrbringen zur Verfügung gehalten werden muss. Mit der EU-Konformitätserklärung bestätigt der Hersteller, dass sein Produkt den Anforderungen der EU-Richtlinien entspricht. Daher gibt es klare Vorgaben an die Konformitätserklärung. Der Hersteller muss sich zum einen eindeutig identifizieren und zum anderen eine vollständige technische Dokumentation liefern, die u. a. folgendes beinhaltet:

  • Genaue Beschreibung des elektrischen Betriebsmittels
    (Produkt- bzw. Modellbezeichnung, Seriennummer, Handelsname, Baujahr)
  • Anschrift des Herstellers (oder seines Bevollmächtigten)
  • Übernahme der Verantwortung für die Ausstellung der Erklärung
  • Nennung der angewandten Rechtsvorschriften und harmonisierten Normen
  • Technische Spezifikation
  • Ort, Datum, Name und Funktion, Unterschrift

Wenn das Produkt international vertrieben werden soll, muss die technische Dokumentation in der jeweiligen Sprache des Ziellandes zur Verfügung gestellt werden.

Im Rahmen des Konformitätsbewertungsverfahrens wird die Übereinstimmung elektrischer Betriebsmittel mit der NSR/LVD nachgewiesen. Dies geschieht durch die Identifikation anwendbarer Normen sowie die Bereitstellung der genannten technischen Unterlagen (Risikoanalyse, Betriebsanleitung, relevante Sicherheitsinformationen). Für elektrische Betriebsmittel, die im Niederspannungsbereich verwendet werden, ist eine CE-Kennzeichnung erforderlich.

Tipps zur Umsetzung
– Ein Leitfaden zur Niederspannungsrichtlinie

In Deutschland wird die NSR durch die 1. Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) umgesetzt, die früher als GPSG bekannt war.

Online steht u. a. ein Leitfaden, der von den zuständigen Dienststellen der Europäischen Kommission in Zusammenarbeit mit Mitgliedsstaaten, europäischen Normungsgremien, Industrie- und Verbraucherschutzorganisationen sowie anderen Interessensgruppen verschiedener Branchen erarbeitet wurde, zur Verfügung. Dieser Leitfaden enthält umfassende Erläuterungen zur Auslegung und Anwendung der Richtlinie 2014/35/EU in der Praxis.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Niederspannungsrichtlinie nur eine der vielen EU-Richtlinien ist, die die Sicherheit von Produkten regeln. Neben der NSR gibt es weitere Richtlinien, die für elektrische Geräte – abhängig von der Art des Produktes -herangezogen werden müssen bzw. die NSR ergänzen:

Beispiele für weitere Richtlinien:

  • EMV-Richtlinie 2014/30/EU — Elektromagnetische Verträglichkeit
  • RoHS-Richtlinie 2011/65/EU – Gefährliche Stoffe in Elektrogeräten
  • Funkanlagen-Richtlinie 2014/53/EU (RED bzw. früher R&TTE-Richtlinie)

Darüber hinaus spielen auch nationale Gesetze, wie z. B. das Elektrogesetz (ElektroG) in Deutschland eine entscheidende Rolle beim Inverkehrbringen von elektrischen Betriebsmitteln.


Weiterführende Links

LVD-Infoseite der Europäischen Kommission
https://single-market-economy.ec.europa.eu/single-market/european-standards/harmonised-standards/low-voltage-lvd_en

Fragen rund um die EU-Binnenmarktharmonisierung
https://www.ce-richtlinien.eu/ce-richtlinien/niederspannungs-richtlinie/

Harmonisierte Normen zur Niederspannungsrichtlinie 2014/35/EU
https://ce-engineering.de/harmonisierte-normen-zur-niederspannungsrichtlinie/

Hinweise zur technischen Dokumentation etc.
https://www.highdoc.de/technische-dokumentation-niederspannungsrichtlinie/


Über den Autor und diesen Artikel

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Wir sind eine staatlich anerkannte Prüfstelle, deren Labore weltweit für verschiedenste Prüfungen akkreditiert sind. Mit unseren Prüfleistungen nach internationalen Regularien helfen wir dabei, elektrische/elektronische Produkte international sicher auf den Markt zu bringen. Zudem übernehmen wir Produktzulassungen in über 180 Ländern. Renommierte Marken aller Branchen vertrauen seit 1993 auf unsere Kompetenzen.

Dieser Fachartikel wurde nach strengen redaktionellen Standards verfasst. Sämtliche im Artikel enthaltenen Informationen sind das Resultat sorgfältiger Recherchen zum Thema. Alle Fachartikel wurden abschließend durch die zuständigen Fachabteilungen unserer Labore geprüft, die sich täglich um Tests und Zulassungen unterschiedlichster Funkprodukte kümmern.

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